„Wo ist mein Zuhause? Eine einfache Frage, mit komplexen Antworten. Aber wo immer ich mich wiederfinde – gestrandet an einem neuen Ort, in einer leeren Wohnung in einer fremden Stadt –, packe ich langsam meine Tasche aus, ordne meine wenigen Sachen und atme tief ein. Mir geht es gut. Ich bin zuhause. Denn ich trage mein Zuhause in mir.“
„Wer bin ich? Eine einfache Frage, auf die wir komplexe Antworten finden. Ihr zuliebe bemühen wir uralte ethnische Zugehörigkeiten; wir bemühen Propheten, Boten, Lehrer und Heilige. Sprachen und Dialekte. Bankkonten, Geschichten, Erzählungen, Klatsch und Liebesaffären, Träume und Gelüste. Doch wenn es um mich geht, wird die Sache einfacher. [...]
Ich bin ein kleiner Mensch, weder außen noch innen perfekt, und in beidem nicht um Perfektion bestrebt. Ich reite auf Wellen zu unbekannten Zielen. Ich durchquere Länder und werde im Gegenzug von den Leben all jener Menschen, denen ich begegne, durchquert. Ich zücke meinen Stift, blättere durch die Seiten meiner Geschichte, ich schreibe, ich stelle sie um, ich zeichne und male sie farbig aus, ich drücke sie voller Zuneigung an mich: Dies ist meine Geschichte, dies bin ich, meine einzige Wahrheit, meine einzigartige Wahrheit. Wo immer ich mich wiederfinde – gestrandet an einem neuen Ort, in einer leeren Wohnung, in einer fremden Stadt –, packe ich langsam meine Tasche aus, ordne meine wenigen Sachen, widme mich meinen kleinen Gewohnheiten, lese mein Buch und atme tief ein. Mir geht es gut. Ich bin zuhause. Ich bin ein Zuhause. Denn ich trage mein Zuhause in mir. Wohin auch immer ich reise, wo auch immer ich lande. Denn ich bin mein Zuhause.“
Lina Haddad aus Syrien studierte vier Jahre lang Medizin in Japan. Zum Zeitpunkt der Porträtaufnahme war sie 28 Jahre alt und promovierte an der FU Berlin in Psychologie. Sie arbeitet als Psychologin mit Flüchtlingen.