"Ich wurde im Bezirk Saif al Daula in Aleppo in Syrien geboren. Meine Familie ist ursprünglich palästinensisch, ich war die älteste Tochter eines Beamten und einer Lehrerin. Als ich älter wurde und die Welt um mich herum erkundete, fielen mir die Unterschiede zwischen mir und meinen Schulfreunden auf, mein Ausweis sah anders aus und trug die Worte 'Palästinensischer Flüchtling'. [...] Als palästinensische Flüchtlinge in Syrien hatten wir kein Recht auf Wohneigentum jedweder Art, selbst wenn wir das Geld dafür hatten. Folglich zog meine Familie ständig in ganz Aleppo hin und her, wir hatten kein Heim, in dem wir uns hätten zuhause fühlen können, immer wussten wir, dass uns der Vermieter früher oder später wieder kündigen würde.

Irgendwann nahm meine Familie ihren ganzen Mut zusammen und kaufte ein Haus unter dem Namen eines Freundes der Familie. Wir richteten es so ein, wie wir es uns immer erträumt hatten, und warteten auf den Sommer, in dem wir die Trauben in unserem kleinen Weingarten würden ernten können. Etwas später begann die Revolution in Aleppo, und wir verließen das Haus in unseren Schlafanzügen samt unserer Katze Lucy. Ich weiß noch, dass ich in der einen Hand ein Fotoalbum, an der anderen meine kleine Schwester hielt. Rauch umgab uns, manchmal rannten wir, manchmal duckten wir uns aus Angst vor Scharfschützen auf den Dächern. [...]

An der syrisch-libanesischen Grenze wurde mir klar, dass meine syrisch-palästinensische Nationalität ein Fluch ist, der mich bis zum Grab begleiten wird. Ich sehe noch das erschöpfte Gesicht meiner Mutter vor mir, als uns der libanesische Grenzoffizier nach fünf Stunden Warterei anbrüllte: 'Palästinenser zurückbleiben!' [...]

Seit meiner Ankunft in Berlin im Oktober 2015 arbeite ich als Redakteurin der Onlinezeitung Wir machen das!, ich helfe in der Theaterabteilung im Mitmach-Musik-Projekt (professionelle Musiker singen und spielen regelmäßig mit Flüchtlingskindern und jungen Menschen in deren Unterkünften) und singe im Tagesspiegel-Chor. Ich habe viele Träume davon, was ich in Berlin erreichen möchte, und meine Liebe zu dieser Stadt wächst jeden Tag, als hätte ich mein ganzes Leben hier verbracht."

Hiba Obaid stammt aus Aleppo, Syrien und lebt seit 2015 in Berlin. Zum Zeitpunkt der Porträtaufnahme war Hiba Obaid 26 Jahre alt. Nach mehreren Praktika als Journalistin machte sie gerade ein Volontariat bei Radio Alex und studierte an der Evangelischen Journalistenschule.